Die Gradmessung
Es hatte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts die Erkenntnis durchgesetzt, dass unsere Erde keine Kugel ist, sondern - so der Wissensstand damals - ein Rotationsellipsoid. Man wollte nun ausrechnen, wie groß die Abplattung (Differenz der beiden Hauptachsen) war indem man große Strecken entlang eines Längengrades auf der Erde an möglichst vielen Stellen ermittelte. Französische Mathematiker führten als erste eine Gradmessung in Nord-Süd-Richtung durch. Sie reichte vom Ärmelkanal bis nach Spanien. Einen weiteren Gradbogen maßen sie in Lappland. Die Endpunkte der Gradbogenabschnitte wurden astronomisch bestimmt und mit der auf der Erde über Dreiecke ermittelten Strecke verglichen.
Aus den Abweichungen ließ sich die Krümmung in diesem Abschnitt errechnen, und aus einer größeren Zahl von Gradmessungen an den verschiedensten Stellen der Erde konnte dann auch ihre genaue Gestalt abgeleitet werden. Die Wissenschaft war an dieser Thematik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts brennend interessiert.
So kam es auch, dass sich in den damaligen deutschen Kleinstaaten allenthalben Spezialisten darum bemühten, Gradmessungen durchzuführen. Gauß arbeitete mit den hannoverschen Nachbarstaaten eng zusammen. Er berechnete aus den überall gemessenen Abschnitten die Abplattung des Erdellipsoids neu und führte nach der "Methode der kleinsten Quadrate" eine Fehleranalyse durch. Der bis dahin benutzte Wert von 1:302,78 lag innerhalb der Fehlerbreite der Gauß'schen Formeln. Diesen Faktor bestätigte er ausdrücklich ohne Änderungswünsche.
Allerdings bemerkte er bei allen Berechnungen mehr oder weniger große "Lotabweichungen", Anomalien also. Um sie zu erklären, definierte er die tatsächliche Erdgestalt in Höhe des Meeresniveaus als die Fläche, auf der das Lot - und damit die Richtung der Schwerkraft - in jedem Punkte senkrecht steht. Diese Fläche weist gegenüber dem Rotationsellipsoid mehr oder weniger große Abweichungen - Undulationen - auf.
Den wahren Erdkörper nennt die Fachwelt heute "Geoid". Für Berechnungen und großmaßstäbliche Karten oder Pläne wird aber ein jeweils bestmöglichst angepasster Rotationsellipsoid benutzt. Der heute in Deutschland gebräuchliche ist jener von Bessel, einem preußischen Astronomen, etwas jünger als Gauß. Er hatte 1841 aus den zehn besten damals vorliegenden Gradmessungen die Abplattung mit 1:299,15 berechnet. Dieser Wert liegt auch heute noch allen geodätischen Berechnungen in Deutschland und vielen anderen Staaten zugrunde.
1924 wird ein weiter verbesserter Faktor des Amerikaners Hayford durch eine globale Kommission als "liternationaler Geoid" mit dem Wert 1:297 festgelegt, aber der Unterschied spielt innerhalb Deutschlands keine Rolle: Machen wir uns einmal klar dass die gesamte Abplattung bei einem Globus von 3 Meter Durchmesser nur 1 Zentimeter beträgt! Eine gewisse Bedeutung hat das Abplattungs-Phänomen allerdings beim Abschuss von weitreichenden ballistischen Raketen. Aber diese sind inzwischen schon wieder in der Lage, ihre Bahnen unterwegs mit Hilfe von Satelliten selbst zu korrigieren.