Der Aufstieg von Willi, Franz und Rudi zu Kultfiguren
Von Joachim Gries
Wer damals auf die Idee gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Tatsache ist jedenfalls, dass Stefan Knop (mit einem o, so ein junger wilder Comic-Zeichner aus Berlin, der in der Escheder Flohrmühle eine Ausstellung mit seinen handgemachten Kreationen vorbereitete, zur grafischen Umsetzung einer Fotografie der "Drei von der Kreuzung" aufgefordert wurde. Als Vorlage diente Bert Hitzegrads Frühwerk aus seiner dann 1989 mit Riesenerfolg ausgestellten Serie "Menschen in Eschede". Für Stefan Knop aus der Großstadt mag das ein komischer Wunsch von Dörflern gewesen sein, die Realisierung kaum mehr als eine erwähnenswerte Fingerübung. Doch sie war hervorragend gelungen, die drei "Bankbesitzer" konnte man eindeutig wiedererkennen, allein schon am Anhängsel, dem kleinen Hund vom "Langen Willi".
Die drei wollten natürlich gefragt werden, ob sie mit ihrer Zurschaustellung einverstanden seien. Das "Recht am Bild" musste schließlich gewahrt werden. Sonderlich beglückt schienen sie anfangs nicht zu sein, eine Comic-Ausstellung ließ Böses erwarten. Doch die erste Inaugenscheinnahme fiel zufriedenstellend aus. Am Fotokopierer wurden denn wohl auch Belegexemplare für die abgebildeten Personen erstellt, damit diese zu Hause beweisen konnten, dass sie in die neuere deutsche Kunstgeschichte eingegangen waren.
Während der Ausstellung im Oktober und November 1987 kamen immer wieder Escheder und sahen sich nur die "Drei von der Kreuzung" an. Ole Köbenen und Blörje, Stefan Knops Phantasiefiguren, zählten vor allem bei den älteren Besuchern nicht. ‚Ja, ja, ganz schön", aber die drei "einfach köstlich!" Rudi Müller selber kam wohl auch ein paar Mal.
Im Jahr darauf dann stand ein neuer Ortprospekt für den Fremdenverkehrsverein an. Die Entscheidung war gefallen:
Willi Gries sollte unseren Gästen den Heidjer machen, den besonnenen, ruhigen Mitmenschen, der gern hier lebt, Zeit hat, zufrieden ist. Die Latte war hoch gelegt, wie sollte das alles in einem Bild transportiert werden? Versuche, am Rande des Marktfrühschoppens eine entsprechende Fotografie zu fertigen, schlugen fehl. Wir gingen zur Ablenkung daran, die gemeinsame Vorfahrenschaft abzuklären, aber auch hier war das Ergebnis nicht eindeutig. Die Verständigung fiel eben nicht leicht.
Also verabredeten wir uns auf einen Sonntag Vormittag bei Willi Gries in der Eichenstraße. Kurz zuvor sei er der Badewanne entstiegen, sagte er. Verschwand dann noch einmal im Hause und kehrte mit Parka und Hut auf dem Kopf wieder an die Tür zurück, an der Leine den kleinen Hund Lümmel. Hanjo Polleichtner und ich tanzen um ihn rum, die Kameras klicken, Filme werden gewechselt. Es ist sonnig, das gibt harte Schatten. Später dann schaut uns Willi Gries traurig von den Abzügen an. Alles schön scharf, technisch wohl in Ordnung, aber die Vorgaben eben nicht erfüllt. So sieht einer aus, der bekümmert ist, aber kein zufriedener Ureinwohner der Heide, kein Sympathieträger von Eschede!
Wie Bert Hitzegrad das Foto für den Prospektumschlag dann letztlich auf Film bannte, weiß ich nicht. Man erzählte sich, er habe aus seiner studentischen Witzkiste zitiert. Angeblich bei der Pointe entstand das gewisse Etwas, ein freundlicher Ausdruck, Schmunzelfalten an den Augen. Die Lippen, in Erwartung des Mundstücks der Zigarre, ein bisschen geöffnet, ein bisschen zahnlos. Schaut er uns nicht an als wollte er sagen: "Ihr seid ja nicht ganz bei Trost "?